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Katharina Weißgerber

Friedr. Ad. Bergmann

Sebastian Klaiber

Jean N. Collowald

 

BESONDERE BIOGRAFIEN  Jean Nicolas Collowald

 

Besonders zu erwähnen ist auch der Einsatz des damaligen Pfarrers von Spichern, Abbé Jean Nicolas Collowald (das nebenstehende Bild wurde dem Bulletin municipal der Gemeinde Spicheren von 1991 entnommen). Geboren wurde Collowald am 9. März 1825 in Nousseviller-St-Nabor, wenige Kilometer westlich von Saargemünd.

Nach seiner Priesterweihe am 10. August 1856 wurde er zunächst Pfarrer in Bitche und zwei Jahre später übernahm er die Pfarrei Hottviller, bevor er am 24. September 1861 als Pfarrer nach Spichern kam. Hier blieb er bis zum 4. Juni 1875 und übernahm danach die Pfarrei St-Jean-Rohrbach, wo er am 7. Juni 1891 im Alter von 66 Jahren überraschend verstarb. Beigesetzt wurde er in seinem Geburtsort, wo das Grab noch heute auf dem Friedhof neben der Kirche existiert – allerdings ohne namentliche Kennzeichnung.

Abbé Collowald kümmerte sich bereits vor den Kämpfen um die bei Spichern biwakierenden französischen Soldaten aller Ränge, versorgte sie mit Heiligenmedaillen und -bildern und nahm ihnen die Beichte ab – selbst in ihren Stellungen! Im Pfarrhaus verfasste er Testamente und nahm persönliche Gegenstände der in den Kampf ziehenden Soldaten in Empfang. Mit Beginn der Kampfhandlungen und der Ankunft von Verwundeten beider Seiten wurden das Pfarrhaus, die Kirche, die Schule sowie Scheunen zu behelfsmäßigen Lazaretten umfunktioniert, in denen operiert und auch amputiert wurde.

In seinem Tagebuch hält der französische Soldat Clovis Hardy seine Beobachtungen fest (1):

»Die Verletzten kamen in Karren an, sie waren zusammen mit den Sterbenden und den bereits Toten, die den Transport vom Schlachtfeld aus nicht überlebt hatten. Die Körper lagen einer neben dem anderen auf dem Boden des großen Saals und ein Krankenpfleger bestimmte, wer von den Verletzten gepflegt wird und wer schon tot war und beerdigt wird. [...]
Die Pferdekarren die man in den Bauernhäusern requiriert hatte, folgten sich. Einer nach dem anderen hörte man das Quietschen der eisernen Umreifung auf dem steinernen Hof. Sie warteten in Reihe darauf entladen zu werden und gingen dann ihren makabren Weg zurück auf das Schlachtfeld. Blut floss tropfenweise zwischen den Brettern der Karren auf das Pflaster. [...]
Zwischen unsere Soldaten mischten sich auch einige preußische Uniformen und sie wurden gleichermaßen versorgt, sie blieben jedoch unsere Gefangene. Der Pfarrer des Dorfes ließ von zwei Gehilfen die Toten wegbringen, nachdem er ihnen die letzte Ölung gegeben hatte. Er kniete sich vor ihnen, die Soutane mit Blut beschmutzt, ein Gebet auf den Lippen, der Blick in die Weite. Alles oder fast alles war für diese zu Ende, noch ein großes Zeichnen
[sic], ein Gebet, eine Absolution und mit einer letzten Gestik seiner Hand machte er den Toten die Augen zu.
Hinter der Kirche war ein großes Grab mit der Hacke und der Schaufel ausgegraben worden. Die Leichen ruhten auf der nackten Erde, die Männer lagen einer neben dem anderen. Man hatte ihnen den Munitionsgurt, ihren Rucksack und ihr Gewehr sowie ihre Ausrüstung und persönliche Sachen abgenommen. Briefe wahrscheinlich, gesegnete Anhänge, Glücksbringer, die genauso unnötig wie illusorisch geworden waren, eine Haarsträhne eines geliebten Menschen, einer Versprochenen oder einer Liebenden. Persönliche Gegenstände, die sie noch nicht einmal in den Tod mitnehmen würden. Die Hände wurden, wenn noch welche da waren, auf der Brust gekreuzt. Amputierte Glieder befanden sich bei den Toten, ohne dass es möglich war, sie zu identifizieren. Wenn ein lebloser Körper in die Grube gelegt wurde und wenn ihm ein Glied oder mehrere fehlten, Beine oder Arme, Hand, Fuß oder Finger, hat einer der Gehilfen in einer Art professionellem Bewusstsein das fehlende Glied, was der Major Arzt amputiert hatte, zugeteilt. Diese makabre Wiederherstellung hatte mehr als einen krank gemacht. Ich meine damit, diejenigen die anwesend waren und zuschauten. Welch ein Elend!
«

Als die Kirche am 10. August 1870 geräumt wurde, las Abbé Collowald die erste Messe umgeben von Schwärmen von Fliegen, die von dem blutverkrusteten Boden in der Kirche angelockt worden waren – der Verwesungsgeruch über der Kirche und dem Friedhof muss fast unerträglich gewesen sein.

Nur wenige Tage nach den Kämpfen traf der Militärpfarrer Abbé N. J. Cornet mit sieben belgischen Krankenschwestern ein, um Abbé Collowald bei seiner Tätigkeit zu unterstützen – über diese Zeit hat Abbé Cornet in seinem 1870 erschienen Buch Une quinzaine à Spickeren après la bataille du 6 août 1870 ausführlich berichtet. Nach einer Erstversorgung wurden die transportfähigen Verwundeten nach und nach in das benachbarte Saarbrücken geschafft, wo sie weiter versorgt wurden. Laut einem im Buch von Abbé Cornet auszugsweise abgedruckten Brief von Abbé Collowald (2) wurden etwa 100 Soldaten, die ihren schweren Verwundungen erlegen waren, auf dem Friedhof von Spichern beigesetzt.

Darüber hinaus führte Abbé Collowald auch Listen mit den Namen der Gefallenen, Verwundeten und Vermissten, unterrichtete deren Angehörige und erfasste die Gräber der Gefallenen.

Nachdem sein Einsatz im Sommer 1870 offenbar lange Zeit in Vergessenheit geraten war, benannte man schließlich 1958 die kurze Verbindungsstraße zwischen der Rue de l’Église und der Rue de l‘École in Spicheren nach ihm.

Das Grab von Abbé Collowald auf dem Friedhof von Nousseviller-St-Nabor ist heute namentlich nicht mehr gekennzeichnet. Auf der quadratischen, freien Fläche am Sockel des Grabmals befand sich ursprünglich eine Tafel mit folgender Beschriftung:

»HIC JACET
NICOLAUS
COLLOVALT
GEVESENER PASTOR IN
JOHANNES-ROHRBACH
1825-1891
R.I.P.«

 

1) Bertram, Alain: Das Kriegstagebuch von Clovis Hardy, Soldat im 63. Linienregiment, Dudweiler 2020, S. 111-112
2) S. 83-86

 

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