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Katharina Weißgerber

Friedr. Ad. Bergmann

Sebastian Klaiber

Jean N. Collowald

 

BESONDERE BIOGRAFIEN – Katharina Weißgerber

 

Im Zusammenhang mit gewonnenen und verlorenen Schlachten sind es in erster Linie die militärischen und politischen Führer, denen im Nachhinein Gedenksteine gesetzt und Bücher gewidmet werden – das gilt auch für die »Schlacht bei Spichern«.

Nachfolgend jedoch soll auf vier Personen näher eingegangen werden, deren regionale und überregionale Bekanntheit zwar untrennbar mit den Ereignissen am 6. August 1870 und im Vorfeld der Kämpfe verbunden ist, die aber gerade nicht zur militärischen und politischen Führungsriege zählten.

Da ist zunächst die als »Schultze Kathrin« weit über Saarbrücken hinaus bekannt gewordene Katharina Weißgerber – das nebenstehende Bild wurde dem Saarkalender 1931 (S. 42) entnommen.

Um gleich zu Beginn zwei widersprüchliche Informationen über sie richtig zu stellen: ihr Vorname lautet Katharina, nicht Katharine (wie u. a. auf ihrem Grabstein im Ehrental zu lesen ist) und geboren wurde sie am 3. August 1818, auch wenn auf einem Gesindeschein der 10. August 1817 als Geburtsdatum eingetragen ist! So jedenfalls die Auskunft des Standesamts Saarwellingen ... (1)

Die in Schwarzenholz geborene und aus einfachen Verhältnissen stammende Katharina Weißgerber kam im Alter von 27 Jahren als Dienstmädchen und Kinderfrau zur Familie Schultz, die am unteren Schlossberg in Saarbrücken wohnte. Hier erlebte sie am 2. August 1870 auch die ersten Kampfhandlungen in Saarbrücken, in deren Verlauf sie sich um einen Verwundeten kümmerte und für einen Sterbenden sogar einen Priester aus St. Johann holte, wofür sie mehrmals die unter Beschuss liegende Brücke überqueren musste. Als es vier Tage später zu den Kämpfen um die Spicherer Höhen kam, war Katharina Weißgerber abermals unter den Helferinnen und kümmerte sich inmitten des Kampfgeschehens um verwundete Soldaten, da der militärische Sanitätsdienst mit der Situation völlig überfordert war. Das Herz der jungen Frau war jedoch offenbar größer als ihr Gefahrenbewusstsein, denn laut Ruppersberg (2) soll sie einem Offizier, der sie vor dem französischen Beschuss gewarnt hatte, entgegnet haben: »Oh jo, Herr Leitnant, die schieße jo nit uff mich!«

Diskutiert wird indes, ob Katharina Weißgerber nur deutsche Verwundete versorgte oder ob sie auch französischen Verwundeten Beistand geleistet hat. Es gibt zwar keinen Grund anzunehmen – oder gar einen Hinweis darauf –, dass sie nur deutsche Verwundete versorgt hat, aber in den einhundert Jahren nach den Ereignissen wurde ihr Einsatz immer wieder als patriotisches Verhalten dargestellt, was eine Versorgung deutscher Verwundeter impliziert. Anfang der 1980er rückte im Zuge der Aufarbeitung vergangener Konflikte der Völkerverständigungsgedanke mehr und mehr in den Vordergrund. Infolgedessen hieß es nunmehr, dass sich Katharina Weißgerber wohl auch um französische Opfer der Kämpfe gekümmert haben soll – Belege hierfür wurden jedoch nicht angeführt! Es stellt sich ohnehin die Frage, ob ihr das denn möglich gewesen wäre? Wie sollte sie es schaffen, die Freifläche von der Bellevue bis an oder gar auf den Roten Berg bzw. bis nach Stieringen unbeschadet zu überqueren? Denn dort hätte sie überhaupt erst französische Verwundete angetroffen! Von daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie sich um Verwundete beider Seiten auf dem Schlachtfeld gekümmert hat (3).

Für die Beurteilung von Katharina Weißgerbers Verhalten handelt es sich hierbei jedoch um einen akademischen Streit, der ihre Leistung keinesfalls schmälert. Sie handelte sicher aus reinem Mitgefühl für die Verwundeten, ungeachtet ihrer Uniform.

Dieses selbstlose und aufopfernde Tun eines einfachen Mädchens aus dem Volk für die große Sache war wohl der Auslöser für den Mythos Katharina Weißgerber, der sich gut in das Weltbild bestimmter Kreise einfügte und nicht zuletzt auch durch die Nationalsozialisten wieder befeuert wurde.

Der auf Eigeninitiative beruhende und seitens der Verantwortlichen nicht geplante Einsatz von Katharina Weißgerber und vielen anderen Frauen führte schließlich zur Stiftung einer neuen Auszeichnung: dem optisch an das Eiserne Kreuz angelehnten Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen! Aufgrund des doch erheblichen Umfangs ließ sich nämlich einerseits der Beitrag der Frauen nicht einfach wegdiskutieren, andererseits jedoch war die Verleihung militärischer Auszeichnungen für Frauen nicht vorgesehen! Der bereits seit 1814 für Frauen existierende und 1850 und 1865 erneuerte Königlich Preußische Louisenorden erschien aus verschiedenen Gründen 1871 nicht mehr zweckmäßig und erneuerungswürdig.

So wurden am 18. Juni 1871 schließlich fünfzig Frauen und Mädchen mit der neuen Auszeichnung bedacht – unter ihnen Katharina Weißgerber, der zudem auch noch die Kriegs-Denkmünze für Nichtcombattanten verliehen wurde.

Annette Keinhorst schreibt in Ihrem Aufsatz über Katharina Weißgerber (4), dass die Recherchen zur Person der Katharina Weißgerber vor allem eines erbrachten, nämlich: »den vielleicht nachvollziehbaren Wunsch vielervor allem Männer, auch Saarbrücken möge seine Florence Nightingale gehabt haben [...].«

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass sich unter den mit dem Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen beliehenen Damen auch eine gewisse »Miss Florence Nightingale zu London« befindet (5)!

Eine weitergehende Anerkennung bzw. Unterstützung von staatlicher oder privater Seite wurde Katharina Weißgerber jedoch nicht zuteil.

So starb sie krank und völlig verarmt mit 69 Jahren, auf den Tag genau sechzehn Jahre nach den Ereignissen, die sie bekannt gemacht hatten, am 6. August 1886 in Saarbrücken – beigesetzt wurde sie zwei Tage später im Ehrental (6).

Das Geld für den Grabstein, der dem »heldenmütigen Mädchen zum ehrenden Gedächtnis« gewidmet ist, konnte allerdings erst nach öffentlichem Aufruf durch eine Sammlung aufgebracht werden! Der Dank des Vaterlandes ist gewiss – allerdings nur, so lange er nichts kostet ...

Der Einsatz von Katharina Weißgerber machte sie weit über die Grenzen Saarbrückens hinaus bekannt, nicht nur an der Saar, sondern im ganzen damaligen Deutschen Reich. So erschien in den 1930er Jahren sogar ein Heft-Roman, der sich ihr widmete (7).

 

1) Der Standesamtbeamte in Saarbrücken schreibt in der am 07.08.1886 ausgestellten Sterbeurkunde Nr. 150 allerdings Katharine!
2) Saarbrücker Kriegs-Chronik, Saarbrücken 1885, S. 243
3) siehe dazu Ralf Parino: Katharine Weißgerber. Der Mythos »Schultze Kathrin«, in: Matzerath, Simon (Hrsg.): Prominente Menschen aus dem Saarland. Von Gräfin Elisabeth bis in das 21. Jahrhundert, Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz 2017, S. 80
4) Schultze Kathrin. Eine polemische Saarbrücker Spurensuche, in: Die Saarbrückerinnen, Beiträge zur Stadtgeschichte, hrsg. von Keinhorst, Annette/Messinger, Petra unter Mitarbeit von Hoherz, Hilde, Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 1998, S. 349
5) s. z. B. die Auflistung der Beliehenen in Friedrich W. Hoeftmann: Das Eiserne Kreuz und die Kriegs-Denkmünze für den Feldzug gegen Frankreich 1870-1871. In Urkunde und Bild. Mitscher & Rostell, Berlin 1871
6) Die Reproduktion der Todesanzeige aus der Saarbrücker Zeitung vom 08.08.1886 wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Hubertus Ochsler.
7) Bezkocka, Willy: Schulzen-Kathrin, das Heldenmädchen von Spichern, Unter deutscher Flagge, Heft 16, Neues Verlagshaus für Volksliteratur G. m. b. H. (Hrsg.), Berlin 1934
Die Heft-Roman-Reihe Unter deutscher Flagge gilt als Vorläufer der heute noch verlegten Heft-Roman-Reihe Der Landser und bewegte sich auf ähnlich fragwürdigem Niveau.

 

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